Pressemitteilung, Berlin

Aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zur sog. 24-Stunden-Pflege:
Es besteht dringender politischer Handlungsbedarf

Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) hat ein Memorandum zur arbeitsrechtlichen Situation von Betreuungspersonen veröffentlicht mit deutlichen Forderungen an die Politik. Es soll endlich eine qualifizierte Betreuung in häuslicher Gemeinschaft in Deutschland sichergestellt und die Sozialpolitik erneuert werden.

Die Ausgangssituation ist besorgniserregend. Seit mehr als zehn Jahren tabuisieren Gesellschaft und Politik eine weit verbreitete Dienstleistung: die Versorgung von rund 300.000 alten und kranken Menschen in der eigenen Häuslichkeit durch Betreuungspersonen aus Osteuropa. Diese Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ist mittlerweile zur unverzichtbaren dritten Säule des Pflegesystems geworden.

Das Problem: Im Laufe eines Jahres sind rund 700.000 Betreuungspersonen, weit überwiegend Frauen zum großen Teil illegal und schutzlos im Einsatz. „Wir gehen davon aus, dass nur zehn Prozent der in Deutschland tätigen Betreuungspersonen aus Osteuropa legal beschäftigt werden. Das ist katastrophal für alle Seiten, denn Rechtsunsicherheit gefährdet die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft und ist zugleich frauen- und sozialpolitisch höchst befremdlich. Daher fordern wir von der Politik endlich ein Umdenken“, sagt Daniel Schlör, Vorsitzender des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP).

Konkret bedeutet das zweierlei: 1. Die Deutsche Rentenversicherung sollte umgehend Betreuungspersonen in häuslicher Gemeinschaft als arbeitnehmerähnliche Personen anerkennen. Das ist bereits bei Millionen von Berufstätigen in Deutschland der Fall, beispielsweise bei Handwerkern oder auch Journalisten. 2. Die Pflegeversicherung sollte die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft als Sachleistung mitfinanzieren, um auch einkommensschwächeren Menschen diese Dienstleistung zu ermöglichen.

Das aktuelle Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 17.8.2020 (Az.: 21 Sa 1900/19) zeigt, wie dringend nötig Rechtssicherheit ist: Eine Pflegerin betreute eine alte Dame zu Hause rund um die Uhr – und wurde für nur 30 Stunden/Woche bezahlt. Die Richter sprachen der Pflegerin Mindestlohn für 21 Stunden/Arbeitstag zu. „Solche eklatanten Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz müssen gerichtlich geahndet werden. Viele Betreuungsverträge stehen auf tönernen Füßen, weil es keine verlässlichen Regeln gibt“, kritisiert Daniel Schlör.

Der VHBP tritt seit Jahren für Rechtssicherheit der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ein und hat jetzt das Memorandum veröffentlicht „Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (BihG): Professionelle Dienstleistung für Menschen mit umfassendem Hilfebedarf“. Es beschreibt die gegenwärtige Ausgestaltung der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft, Handlungsbedarfe und Lösungen und fordert die Politik auf, endlich ein rechtssicheres Modell zu schaffen, wie sie Österreich schon 2007 hergestellt hat.

Für Daniel Schlör ist eines klar: „Die Politik muss sich jetzt dringend bewegen. Während der ersten großen Corona-Welle wurden sogar Erntehelfer aus Rumänien eingeflogen. Aber Hunderttausende osteuropäische Betreuungspersonen durften nicht einreisen. Ist die Versorgung mit Spargel wichtiger als die Versorgung alter und kranker Menschen? Diese Zustände wollen wir mit unserem Memorandum anprangern und für ein Umdenken sorgen.“

Pressekontakt
Verband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) e.V.
Rechtsanwalt Frederic Seebohm, Geschäftsführer
Friedrichstraße 191, 10117 Berlin
Telefon: 030 20659-427
E-Mail: info@vhbp.de
Internet: www.vhbp.de

Über den VHBP

Derzeit sind in Deutschland rund vier Millionen Menschen pflegebedürftig. Rund Dreiviertel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt und betreut. Angesichts von Personalnot und demographischer Entwicklung wird der Bedarf nach häuslicher Versorgung weiter wachsen. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) setzt sich für neue, legale Versorgungskonzepte im Zusammenspiel bestehender Anbieter ein. Der VHBP hat drei Ziele definiert: Rechtssicherheit für Betreuung in häuslicher Gemeinschaft; Eindämmung der Schwarzarbeit; Etablierung der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft als dritte Säule der Versorgung alter und kranker Menschen. Der VHBP schätzt, dass rund 90 Prozent der im Laufe eines Jahres 700.000 Betreuungspersonen in Deutschland illegal tätig sind. Der VHBP kämpft dafür, dass sich das Verhältnis umkehrt und orientiert sich bei seiner Arbeit am österreichischen Modell, das die Schwarzarbeit weitgehend beendet hat. Der VHBP wendet sich dezidiert gegen die bisherige Politik des Wegsehens, Tabuisierens und Ablenkens und will den Schutz für Betreuungspersonen und betroffene Familien maßgeblich erhöhen. Weitere Informationen unter www.vhbp.de