Pressemitteilung, Berlin

Betreuung in häuslicher Gemeinschaft:
Pflegende Angehörige sind Leidtragende der Rechtsunsicherheit

Die Eckpunkte der Pflegereform 2021 des Bundesgesundheitsministeriums berücksichtigen endlich auch die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft durch osteuropäische Betreuungspersonen. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) lädt betroffene Angehörige ein, sich als Fördermitglieder für mehr Rechtssicherheit zu engagieren.

Ist das der lang erwartete Durchbruch, um die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (sog. 24-Stunden-Betreuung) als dritte Säule der Versorgung alter und kranker Menschen neben der stationären und ambulanten Pflege zu verankern? Das Papier „Pflegeversicherung neu denken: Eckpunkte der Pflegereform 2021“ des Bundesministeriums für Gesundheit lässt hoffen. Darin heißt es: „Pflegebedürftige Menschen werden vielfach auch durch ausländische, überwiegend osteuropäische Kräfte unterstützt, die mit ihnen im Haushalt leben. Bei Beschäftigung einer 24-Stunden-Betreuungsperson im eigenen Haushalt soll es unter bestimmten Bedingungen, analog zu den Angeboten zur Unterstützung im Alltag, möglich sein, den Anspruch auf Umwandlung von bis zu 40 Prozent des Pflegesachleistungsbetrag zu nutzen.“

„Das ist ein guter Anfang für die weitere Akzeptanz der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft. Es bedeutet einen großen Fortschritt, dass diese Versorgungssäule ausdrücklich genannt wird - angesichts der bisher hartnäckigen Ausblendung in den offiziellen pflegepolitischen Debatten“ sagt Daniel Schlör, Vorstandsvorsitzender des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP). Der VHBP tritt seit Jahren für Rechtssicherheit der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft und die öffentliche Anerkennung der Arbeit osteuropäischer Betreuungspersonen ein. „Wir sprechen weiterhin von Verbraucherschutzdefiziten, fehlenden qualitativen Mindeststandards und der zum Teil deutlichen Diskrepanzen zwischen den Wünschen betreuungsbedürftiger Senioren und deren Familien einerseits und dem rechtlich und faktisch Möglichen andererseits.“

Das Papier des Gesundheitsministerium macht dementsprechend keine Aussagen dazu, wie die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft künftig rechtssicher geregelt werden soll. „Wir fragen uns, warum dies in Österreich seit langem möglich ist, aber in Deutschland nicht? Es besteht dringender Handlungsbedarf.“ Daniel Schlör nimmt dabei auch die vielen Sozialpolitiker und Gewerkschaftsvertreter nicht von seiner Kritik aus. Eine allgemeine Blockadehaltung ist verantwortlich dafür, dass die in der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft weit überwiegend tätigen Frauen zum großen Teil illegal und schutzlos im Einsatz sind. „Das ist ein katastrophaler Zustand für alle Seiten, denn diese Rechtsunsicherheiten gefährden die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft und sind zugleich frauen- und sozialpolitisch höchst befremdlich. Daher fordern wir von der Politik endlich ein Umdenken.“

Leidtragende sind nicht nur die Betreuungspersonen, sondern auch die pflegenden Angehörigen selber. „Typischerweise sind es Frauen zwischen 40 und 60, die sich um den betreuungsbedürftigen Elternteil, ggf. eigene Kinder und ihren Beruf kümmern müssen und dazwischen nicht selten völlig aufgerieben werden. Die Politik lässt sie alleine. Deshalb hat sich der VHBP dazu entschlossen, künftig diesen Angehörigen eine Stimme zu geben. „Wir wollen Sprachrohr für Angehörige sein und ihnen eine Lobby bieten“, sagt Frederic Seebohm, Geschäftsführer des VHBP. Deshalb öffnet sich der VHBP für Fördermitglieder aus betroffenen Familien, die eine Vertretung und ein Sprachrohr für ihre Anliegen suchen.

„Auch für diese stetig wachsende Gruppe an Betroffenen fordern wir Rechtssicherheit. Erst wenn sich Angehörige nicht mehr durch ein Heer illegaler Angebote hindurchkämpfen müssen und finanzielle Förderung beanspruchen können, wird sich ihre Situation verbessern. Der VHBP entwickelt sich damit zum Verband für alle Menschen, die von Betreuung in häuslicher Gemeinschaft direkt oder indirekt betroffen sind.“

Pressekontakt:
Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) e.V.
Rechtsanwalt Frederic Seebohm, Geschäftsführer
Lindencorso, Unter den Linden 21, 10117 Berlin
Telefon: 030 20659-427
info@vhbp.de
www.vhbp.de

Über den VHBP:

Derzeit sind in Deutschland rund vier Millionen Menschen pflegebedürftig. Rund dreiviertel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt und betreut. Angesichts von Personalnot und demographischer Entwicklung wird der Bedarf nach häuslicher Versorgung weiter wachsen. Der Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) setzt sich für neue, legale Versorgungskonzepte im Zusammenspiel bestehender Anbieter ein. Der VHBP hat drei Ziele definiert: Rechtssicherheit für Betreuung in häuslicher Gemeinschaft; Eindämmung der Schwarzarbeit; Etablierung der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft als dritte Säule der Versorgung alter und kranker Menschen. Der VHBP schätzt, dass rund 90 Prozent der 300.000 Betreuungspersonen in Deutschland illegal tätig sind. Der VHBP kämpft dafür, dass sich das Verhältnis umkehrt und orientiert sich bei seiner Arbeit am österreichischen Modell, das die Schwarzarbeit weitgehend beendet hat. Der VHBP wendet sich dezidiert gegen die bisherige Politik des Wegsehens, Tabuisierens und Ablenkens und will den Schutz für Betreuungspersonen und betroffene Familien maßgeblich erhöhen. Weitere Informationen unter www.vhbp.de